Veterinärmedizinischer Feldreport: Untersuchung der Mensch-Tier-Schnittstelle auf einem nigerianischen Schlachthof

Es ist 7 Uhr morgens, irgendwo am Stadtrand von Abuja, der Hauptstadt Nigerias. Die Sonne ist vor einer Stunde aufgegangen, und schon jetzt fühlen wir, dass es wieder einmal ein heißer Tag werden wird mit Temperaturen bis 40°C. Es ist Ende der Trockenzeit, und jedes Lebewesen, ob Pflanze, Tier oder Mensch, lechzt nach dem ersten Regenschauer.

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Blick über den Viehmarkt der kleinen Wiederkäuer (Quelle: Hellena Debelts)

Wir erreichen unseren Einsatzort: das Gelände eines der größten Schlachthöfe des Landes, zu dem auch ein Viehmarkt sowie ein Fleisch- und Lebensmittelmarkt gehören. Die Luft ist von Staub erfüllt, und der ganze Ort ist bereits geschäftig und lebendig. Die meisten Menschen sind seit 5 Uhr morgens wach, der Zeit des Morgengebets, nach dem die tägliche Arbeit im Schlachthof beginnt.

Wir betreten das Gelände, um zwischen den Viehhändlern hindurch zu unserem Treffpunkt neben dem Schlachthaus zu gehen. Gleich am Eingang ist ein Lastwagen neben einer aus Erde gebauten Laderampe geparkt, und finden uns mitten im Entladevorgang von Rindern wieder. Während einige bereits ausgeladen sind und erschöpft und verwirrt auf die neue Umgebung blicken, in der sie gelandet sind, liegen andere noch auf dem Lastwagen, mit zusammengeschnürten Beinen, damit sie sich während der langen Fahrt nicht bewegen. Wir erfahren, dass sie auf einem Markt in einem Bundesstaat im Norden gekauft wurden, wo die lange Trockenzeit in Verbindung mit der Treibstoffknappheit und der steigenden Inflation die Bauern dazu zwingt, auch ihre letzten weiblichen Kühe zu verkaufen. Anhand des Aussehens der Tiere lässt sich erahnen, mit welchen Schwierigkeiten die Bauern im Norden zu kämpfen haben. Sie sind der Auszehrung nahe, und viele von ihnen müssen erst einen Bottich voll Wasser trinken, bis sie überhaupt die Kraft finden, wieder aufzustehen. Sorgfältig auf unsere Schritte achtend, setzen wir unseren Weg durch den Lebendtiermarkt fort. Hier sind Rinder verschiedener Rassen und Größen an Pflöcken angebunden, zu verschiedenen Händlern gehörig, die in den am Rande des Geländes verstreuten Hütten untergebracht sind. Zwei Männer führen einen etwas widerspenstigen Bullen zum Ausgang am anderen Ende, hinter dem sich das Schlachthaus befindet. Wir folgen ihnen in respektvollem Abstand.

 

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Veterinäre bei der Probennahme (Quelle: Olayinka Asala)

Wir, Hellena Debelts, Anthropologin am Robert Koch-Institut, und Valerie Allendorf, Tierärztin am Friedrich-Loeffler-Institut, treffen uns mit unseren Kollegen vom Nigerian Centre for Disease Control (NCDC) und vom National Veterinary Research Institute (NVRI). Unser multinationales Team arbeitet in einer gemeinsamen Feldmission zusammen, um Daten über die Schnittstellen zwischen Mensch, Tier und Umwelt zu sammeln. Diese Daten sollen mehr Aufschluss über die potenziellen Übertragungswege von Zoonoseerregern geben, die Teil des täglichen Lebens der Menschen sind. Am Beispiel von SARS-CoV-2 wollen wir durch die Verknüpfung von anthropologischen Daten mit Untersuchungsergebnissen von humanen und Tierproben zeigen, wo mögliche Übertragungsrisiken zu finden sind, und Ansätze herausarbeiten, wie diese Risiken abgemildert werden können.

Unsere Kollegen warten bereits vor dem Büro der von der Regierung angestellten Veterinäre, die die öffentliche Gesundheit bei der Fleischproduktion gewährleisten. Als wir uns ihnen nähern, sehen wir, dass sie bereits damit begonnen haben, die Schadnagerfallen einzusammeln, die wir am Vorabend aufgestellt haben. „Netter Fang“, begrüßt uns Jerry Ijomanta, einer der NVRI-Veterinäre, lächelnd. „Wir haben vier in und hinter dem Schlachthaus gefangen! Die anderen holen gerade die Fallen vom Viehmarkt. Schaut, da kommen sie schon!“ Als wir uns umdrehen, sehen wir die beiden Nachwuchswissenschaftler Oluyemi Ogunmolawa und Joshua Seyi Oyetunde auf uns zukommen, jeder trägt eine Tasche mit den eingesammelten Fallen. Auf dem Viehmarktgelände war die Schadnagerjagd nicht sehr erfolgreich, aber es werden noch weitere Versuche folgen. Wir lassen unseren Fang erst einmal zurück, um uns später am Vormittag der Sezierung und Probenahme der Tiere zu widmen. Während Hellena und Adeoye Adeponle, Anthropologe vom NCDC, sich auf den Weg machen, um ein Interview mit einem ihrer wichtigsten lokalen Gesprächspartner zu führen, tritt Olayinka Asala, Chief Veterinary Research Officer am NVRI, zusammen mit zwei Tierärzten des Schlachthofs aus dem Büro der Schlachthofveterinäre. „Lasst uns loslegen, Leute.“ Wir ziehen unsere Schutzkleidung an und teilen uns in Gruppen auf: Die eine Hälfte geht in das Schlachthaus, um Rinder zu beproben, die andere begibt sich zum Areal zur Schlachtung kleiner Wiederkäuer, das sich direkt hinter dem Schlachthaus befindet, neben kleinen Kaminen, aus denen schwarzer Rauch in den klaren blauen Himmel aufsteigt. Der Malam, ein speziell religiös ausgebildeter Mann, der für die Halal-Schlachtung zuständig ist, begrüßt uns mit einem Lächeln; er hat uns bereits erwartet. Seit dem Beginn seiner Arbeitsschicht vor zwei Stunden hat er bereits einigen Hundert Ziegen die Kehle durchtrennt. Nun ebbt die Schlachtungsfrequenz langsam ab, die Hektik der frühen Morgenstunden haben wir absichtlich gemieden. Während wir einige freundliche Worte wechseln, nähert sich ein Mann, gefolgt von sechs nervös umherschauenden Ziegen – das Zeichen für den Malam, seine Arbeit fortzusetzen. Während die Beine der Ziegen zusammengebunden und eine nach der anderen seitlich auf den Boden gelegt werden, sortieren wir unser Probenmaterial und machen uns bereit. Der Malam nimmt sein langes, schlankes Messer in die Hand und geht auf die Ziegen zu. Lautlos läuft er die Reihe der protestierenden Tiere entlang, sich sechsmal bückend, um tief in sechs Kehlen zu schneiden. Leuchtend rotes Blut spritzt. Schnell gehen zwei von uns zu den sterbenden Tieren, um Blutproben, Nasenabstriche und Unterkieferlymphknoten zu entnehmen, während der dritte zurückbleibt, um die Röhrchen entgegenzunehmen und zu beschriften. Nach gefühlt wenigen Sekunden werden die toten Körper zum nächsten Schritt der Verarbeitungskette gebracht, den Kaminen, über denen ihr Fell abgeflammt wird. Der schwarze Rauch wird wieder dichter. Da nähert sich schon die nächste kleine Gruppe von Ziegen, und wir bereiten uns auf die nächste Runde von Probenahmen vor.

Zwei Stunden später lässt der Strom der stetig ankommenden Tiere endgültig nach. Wir schließen unsere Probenahme für diesen Tag ab. Es werden noch weitere folgen. Zurück am Büro treffen wir die andere Hälfte der Gruppe, und nachdem wir unsere Ausrüstung und uns selbst gereinigt haben, verlassen wir den Schlachthof, um mit der Sezierung und Probenahme des nächtlichen Fangs fortzufahren und alle wertvollen Proben in flüssigem Stickstoff zu lagern. Eine Woche später werden sie in das NVRI-Labor im Plateau State gebracht, wo die Laboranalysen durchgeführt werden, um mehr herauszufinden über das Netzwerk von Lebewesen und ihren Krankheitserregern in diesem sehr speziellen und doch auch üblichen kleinen Ökosystem des Schlachthofs und darüber hinaus.

Der Partnerbericht zur Untersuchung der Mensch-Tier-Umwelt Schnittstelle aus anthropologischer Sicht ist hier zu finden.

Stand: Juli 2022

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