Telemedizin zur Behandlung schwer Verletzter in der Ukraine

Robert Koch-Institut und Charité setzen Telemedizin als Kriseninterventions-Tool im Ukraine-Krieg ein

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu Besuch während einer Telemedizin-Visite der Charité und einem ukrainischen Krankenhaus, Copyright: Charité Unternehmenskommunikation

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges ist die Ukraine im Ausnahmezustand – in solchen Situationen wird auch das Robert Koch-Institut (RKI) als obere Bundesbehörde gebeten, mit seinen Möglichkeiten vor Ort Hilfe zu leisten. Unter anderem stellt ZBS 7 des Robert Koch-Instituts sein Know-how im klinischen Management zur Verfügung. Ein Beispiel: Die Telemedizin.

Erprobt in der COVID-19-Pandemie

Durch nationale und internationale Projekte konnte ZBS 7 gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin die Telemedizin während der COVID-19-Pandemie erstmalig als reaktives Kriseninterventions-Tool einsetzen. Die Grundidee in der Pandemie: Mit Telemedizin spezifisches Expertenwissen zum klinischen Management bei neuartigen Erregern schnell und ortsunabhängig an Krankenhäusern verfügbar machen, an denen die Fachexpertise im Umgang mit ansteckenden und schwer verlaufenden Krankheiten fehlt. Bisherige Auswertungen in vorherigen Projekten konnten z.B. eine Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit zeigen, wenn die intensivmedizinische Behandlung von Patientinnen und Patienten telemedizinisch unterstützt wurde.

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und mit finanzieller Förderung aus dem Global Health Protection Programme (GHHP) wird die Telemedizin seit Sommer 2022 in Zusammenarbeit mit der Charité auch in der Ukraine eingesetzt. Die telemedizinischen Beratungen durch die Charité, die bisher vor allem im infektiologischen und intensivmedizinischen Kontext erprobt waren, werden in der Ukraine bei Verletzungsmustern wie Brand- und Schussverletzungen, aber auch bei komplexen und außergewöhnlichen Infektionen angewandt.

Der große Vorteil: Mit der Telemedizin kann die in Deutschland vorhandene fachliche Expertise den ukrainischen Kolleginnen und Kollegen direkt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass dafür medizinisches Personal in das Krisengebiet entsendet werden muss. Dazu kann auf diverse Fachrichtungen zurückgegriffen werden, die in Persona vor Ort nicht abzubilden gewesen wären.

ZBS 7 übernimmt im Projekt koordinierende Aufgaben, stimmt das Vorhaben mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium ab, stellt den Kontakt zu den Krankenhäusern her und vermittelt zwischen der Charité und den ukrainischen Behörden. Dazu unterstützt ZBS 7 die ukrainischen Verantwortlichen beim Aufbau eines entsprechenden klinischen Netzwerks nach STAKOB-Modell und erstellt gemeinsam mit Partnern E-Learning-Inhalte zur Aus- und Fortbildung.

Die fachliche Verantwortung für die telemedizinische Beratung liegt ausschließlich bei der Charité.

12 telemedizinische Geräte im Einsatz

Im Rahmen des Projekts wurden gemeinsam von RKI und ukrainischem Gesundheitsministerium zwölf Schwerpunktkrankenhäuser identifiziert, an denen telemedizinische Geräte aus dem Projekt zur Unterstützung der medizinischen Behandlung eingesetzt werden. Die telemedizinischen Visiten werden wöchentlich mit den ukrainischen Ärztinnen und Ärzten vor Ort gemeinsam mit dem Telemedizin-Team der Charité durchgeführt, bestehend aus Expertinnen und Experten der Intensivmedizin und anderer Fachdisziplinen wie z.B. Infektiologie, Traumatologie und Pädiatrie.

Der Fokus der Beratung liegt auf intensivmedizinischen Fällen, speziellen operativen Indikationsstellungen durch Unfallchirurgen und dem Management von komplexen Infektionen durch Infektiologen wie zum Beispiel MRE-Wundinfektionen. Die Telemedizin-Spezialistinnen und -Spezialisten der Charité begleiten dabei das medizinische Team vor Ort über einen mobilen Roboter. Bei Bedarf können jederzeit weitere medizinische Fachdisziplinen digital hinzugezogen werden.

Durch die Zusammenarbeit mit RKI und Charité gewinnt die ukrainische Seite wertvolles Wissen, das die Qualität der intensivmedizinischen Behandlung stärkt, Schwerpunktkrankenhäuser vernetzt und die Fortbildung in diesem hochspezialisierten Bereich fördert. Gleichzeitig können die telemedizinischen Behandlungen aber auch neue Erkenntnisse zu in Deutschland selten vorkommenden komplexen intensivmedizinischen und infektiologischen Krankheitsbildern liefern, welche gegebenenfalls in Empfehlungen zum klinischen Management einfließen können.

Das ukrainische Gesundheitsministerium hat bereits ein starkes Interesse an dem weiteren Ausbau des telemedizinischen Netzwerkes signalisiert.

Weitere Informationen zum Telemedizin-Projekt „FUTURE International UKR“ gibt es auf der RKI-Website.

Autor*in
  • Michaela Niebank
  • Dr. rer. nat. Daniel Hechler

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