Sichere Impfstoffversorgung in ganz Afrika: Neues afrikanisches Netzwerk will die Qualitätsüberwachung koordinieren

Das VaccRelease-Projekt des Paul-Ehrlich-Instituts unterstützt mit seiner Expertise die afrikanische Initiative für ein neues Netzwerk zur staatlichen Chargenprüfung von Impfstoffen. Ziel dieses Netzwerks ist es, harmonisierte Anforderungen an die staatliche Chargenprüfung von Impfstoffen afrikaweit zu entwickeln. Diese Anforderungen bilden die Grundlage für die Anerkennung der Chargenprüfung eines qualifizierten offiziellen Kontrolllabors durch andere Regulierungsbehörden in Afrika. Sie tragen damit zu einem schnelleren Zugang zu sicheren und wirksamen Impfstoffen in Afrika bei.

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Teilnehmende der ersten Studienreise, die im Mai 2022 am Paul-Ehrlich-Institut stattfand. (Quelle: PEI, Brigitte Morgenroth)

“We need to collaborate! Let’s go far together.”

Der afrikanische Kontinent arbeitet unter der Federführung der Afrikanischen Union mit Hochdruck daran, die eigene Impfstoffproduktion auszubauen. Dies erfordert gleichzeitig eine starke staatliche Kontrolle und Überwachung der lokal produzierten Impfstoffchargen. Um die Herausforderungen für Zulassungsbehörden und offizielle Kontrolllabore zu meistern, wird ein afrikanisches Netzwerk angestrebt, das sich auf gemeinsame Strategien für und Anforderungen an die staatliche Chargenprüfung in Afrika verständigt. Denn, wie ein Teilnehmer während des ersten Treffens im Mai 2022 im Paul-Ehrlich-Institut (PEI) betonte: „We have about 1,2 billion of inhabitants in Africa and only four countries, that will produce vaccines. We need to collaborate! Let’s go far together.“

 

Projekt
VaccRelease
Autor*in
  • Dr. Heidi Meyer
    Projektleiterin

Konkreter Arbeitsplan beim dritten Treffen verabschiedet

Beim dritten Treffen, das vom 27. November bis 1. Dezember 2023 in Kairo stattfand, wurden Erfahrungen aus anderen etablierten internationalen Labornetzwerken geteilt und Anforderungen für die angestrebte Anerkennung der staatlichen Chargenprüfung von Impfstoffen diskutiert. Höhepunkte waren der Besuch des offiziellen ägyptischen Kontrolllabors und die Verabschiedung eines konkreten Arbeits- und Zeitplans für eine weitere Zusammenarbeit an Leitlinien und Standards für ein afrikaweites Netzwerk von qualifizierten Kontrolllaboren für die staatliche Chargenprüfung.

Teilgenommen haben Mitarbeitende aus Arzneimittelbehörden und den offiziellen Kontrolllaboren aus Ägypten, Ghana, Ruanda, Senegal, Tansania, Sambia und Südafrika sowie unterstützende Organisationen. Dazu gehören das African Medicines Quality Forum (AMQF), das WHO National Control Laboratory Network for Biologicals (WHO-NNB), das European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die US-Pharmacopeia (USP). Auch das Team vom VaccRelease Projekt, welches am PEI im Jahr 2023 gestartet wurde, war vor Ort und organisierte neben PTB und AMQF den Austausch. Die Unterstützung des Aufbaus eines afrikaweiten Anerkennungssystems (System of Reliance) für die Chargenprüfung ist eines der Projektziele von VaccRelease.

Besuch der Kontrolllabore in Ägypten und Südafrika schafft Transparenz

Bei allen bisherigen Studienreisen bestand die Möglichkeit, die etablierten staatlichen und von der WHO zertifizierten Kontrolllabore vor Ort zu besichtigen. „Insbesondere die Laborführungen in Kairo und, bereits im Frühjahr, in Südafrika waren für alle Teilnehmenden ein Gewinn. Die Transparenz, vor Ort die Prozesse und Ausstattung zu sehen, schafft gegenseitiges Vertrauen – und das ist oft eindrucksvoller, als nur darüber zu reden“, sagt Dr. Heidi Meyer, Projektleiterin von VaccRelease. Dr. Meyer hatte alle Studientreffen mit Fachvorträgen begleitet. Die Erfahrung zeigt, dass Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung ist, um ein funktionierendes System der gegenseitigen Anerkennung zu gewährleisten

Bild 1/4:
Der Besuch des offiziellen südafrikanischen Kontrolllabors SANCL in Bloemfontein, Südafrika, als einer der Höhepunkte des zweiten Treffens. (Quelle: PTB)
Bild 2/4:
Teilnehmende der zweiten Studienreise des Netzwerks im Februar 2023 in Bloemfontein, Südafrika. (Quelle: PTB)
Bild 3/4:
Wichtiger Programmpunkt der dritten Studienreise: Eine der Kleingruppen, die das offizielle ägyptische Kontrolllabor besuchten. Im Bild 3. v. r. Heidi Meyer vom GHPP VaccRelease-Projekt. (Quelle: AUDA-NEPAD, Lindokuhle Dlamini)
Bild 4/4:
Teilnehmende des dritten Netzwerktreffens zu den Themen afrikaweite Best Practices in der Chargenprüfung und Richtlinien, Testverfahren und Qualitätsstandards in 2023, in Kairo, Ägypten. (Quelle: AUDA-NEPAD, Lindokuhle Dlamini)

Zweites Treffen diskutiert, wie die Qualitätsüberwachung harmonisiert werden kann

Bei der zweiten Studienreise im Februar 2023 in Bloemfontein, Südafrika, tauschten sich die Teilnehmenden über harmonisierte Vorgehensweisen in der staatlichen Chargenprüfung aus. Das Projekt VaccRelease zeigte bei dem Treffen die Vorteile, aber auch die Voraussetzungen einer harmonisierten, risikobasierten Teststrategie auf. Eine herstellerunabhängige Prüfung der lokal produzierten Impfstoffchargen sei dabei unerlässlich, betonte Dr. Volker Öppling, Leiter des Fachgebiets Mikrobiologische Impfstoffe am PEI in seinem Vortrag. Sogenannte nationale Kontrolllabore, wie das PEI, überprüfen in ausgewählten Tests insbesondere die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit der Chargen. Welche Tests im Einzelnen erforderlich sind, variiert und wird zum Beispiel für die Europäische Union (EU) im europäischen Netzwerk der amtlichen Arzneimittelkontrolllabore gemeinsam festgelegt und von der EDQM koordiniert. Eine solche abgestimmte risikobasierte Teststrategie wäre laut Dr. Volker Öppling, der das PEI im europäischen Kontrolllabornetzwerk EDQM in einigen Gremien vertritt, auch in Afrika von Vorteil. Denn so könnten die knappen Ressourcen auf die kritischen Tests konzentriert und die Zeit bis zur Chargenfreigabe verkürzt werden. Eine Abstimmung der nationalen afrikanischen Kontrolllabore über Testverfahren und -prozesse würde zudem die Zusammenarbeit vertiefen und für mehr Transparenz sorgen – eine wichtige Voraussetzung für eine spätere Arbeitsteilung.

Reliance in der Chargenprüfung innerhalb der EU als Modell für Afrika?

Die Auftaktveranstaltung des Netzwerks fand im Mai 2022 im Paul-Ehrlich-Institut statt (siehe Berichte auf der Website des PEI & Candela Blog der PTB). Während der Studienreise zum PEI vermittelten Expertinnen und Experten des Instituts unter anderem Fachwissen zu regulatorischen Anforderungen und Laborkapazitäten im Zusammenhang mit der Impfstoffherstellung in Deutschland. Darüber hinaus veranschaulichte eine Führung durch die Chargenprüfungslabore des PEI relevante Prozesse und Techniken. Bei dem Treffen wurden auch Modelle der gegenseitigen Anerkennung und Arbeitsteilung der EU in diesem Bereich skizziert, welche auch als Modell für Afrika dienen könnten.  Das PEI führt ebenfalls für bestimmte Impfstoffe Chargenprüfungen durch und könne sich bei weiteren zugelassenen Impfstoffen auf die Ergebnisse der anderen staatlichen Kontrolllabore innerhalb des Netzwerks der Amtlichen Arzneimitteluntersuchungslabore (Official Medicines Control Laboratories, OMCL) in der EU verlassen, erläuterte Dr. Meyer. Sie machte in ihrem Vortrag auch deutlich, dass dies funktioniert, weil hier alle EU-Mitglieder einer gemeinsamen Gesetzgebung, gemeinsamen Leitlinien und standardisierten Verfahren (Standard Operating Procedures, SOP) folgen und in eigens dafür eingerichteten Gremien sehr eng zusammenarbeiten.

Treffen des Regulatoren-Netzwerks:

  1. Deutschland: Paul-Ehrlich-Institut (PEI), vom 9. bis 12. Mai 2022
  2. Südafrika: Staatliches Kontrolllabor für Biologische Produkte, Südafrika (South African National
    Control Laboratory for Biological Products, SANCLBP), vom 27. Februar bis 1. März 2023
  3. Ägypten: Ägyptische Arzneimittelbehörde (Egyptian Drug Authority, EDA), vom 27. November bis 1. Dezember 2023
Austausch in kleinen Gruppen in Bloemfontein, Südafrika 2023. (Quelle PTB)

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